Figuren kennenlernen – Schritt 3
Lerne das soziale Umfeld deiner Figur kennen!

Wie ich dir in den letzten beiden Beiträgen gezeigt habe, kann man auch über eine fiktive Person ziemlich viel herausfinden. Wir wissen nun, wie deine Figur aussieht, wie sie sich bewegt, wie sie spricht und wo bzw. wie sie wohnt. Nun geht es um den Freundeskreis, um Schulkolleg*innen und die Familie.

Ist deine Figur beliebt – oder wird sie gemobbt?

Ist deine Figur in der Schule / in der Arbeit / im Sportklub (oder wo auch immer sie sich oft bewegt) beliebt – oder nicht?
Hatte sie viele Freund*innen? 
Wird sie gemobbt? 

Manche wirken auf andere „seltsam“ – weil sie zu still sind, gern für sich bleiben, mit sich selbst oder einem Fantasiefreund sprechen …
Andere sind total beliebt, ohne dass sie selbst es ahnen. (Ich kenne Menschen, die glauben, dass niemand sie mag, obwohl sie den meisten total sympathisch sind. Wieder andere sind überhaupt nicht beliebt, glauben das aber).

Überlege dir, wie deine Figur von anderen gesehen wird und ob sie sich selbst auch so sieht.

Reise in die Vergangenheit

War deine Figur immer schon so wie heute?
Ein Schulwechsel / ein Umzug / ein neuer Freundeskreis / eine neue Arbeitsstele … das alles wirkt sich manchmal sehr auf ein Leben aus. Menschen, die uns noch nicht kennen, nehmen uns oft anders wahr als jene, die uns gut kennen. Das kann eine Chance sein, sich neu zu erfinden. Manchmal aber ist es auch umgekehrt und wir kommen von einer super netten Klasse in eine Klasse mit lauter Fieslingen …

Mach dir Gedanken über die Eltern deiner Figur 

– Welche Berufe haben sie? Welche Hobbys?
– Wie benehmen sie sich üblicherweise? Wie ist ihr Charakter?
– Sind Mutter und Vater noch zusammen? Wenn ja: Ist ihre Beziehung liebevoll? Harmonisch? Streiten sie oft miteinander? Worüber streiten sie? Haben sich die Eltern noch viel zu sagen? Sitzen sie abends gern zusammen, um miteinander zu plaudern? Oder reden sie kaum noch miteinander? Beschimpfen sie sich gar? Und wie kam es dazu?
Wenn Eltern getrennt leben, stellt sich die Frage, ob das Kind, über das du schreibst, noch beide Eltern sehen darf. Wenn ja, wie oft? Und wie verlaufen diese Besuche? Fühlt sich das Kind mit der Besuchsreglung oder auch dem Pendeln zwischen den beiden Elternteilen wohl?
Sind die Eltern zuverlässig? Halten sie ihre Versprechen ein?
Schenken sie ihrem Kind viel Aufmerksamkeit? Oder starren sie immer nur ins Handy?
Wie fühlt sich das Kind neben den Eltern? Fühlt es sich beachtet? Geliebt? Oder einsam? Oder gar unerwünscht?
Ist ein Elternteil überängstlich und würde am liebsten jeden Schritt des Kindes überwachen – aus lauter Sorge, dass ihm etwas zustoßen könnte? 
Oder sind die Eltern sehr gelassen und vertrauen darauf, dass schon nichts Schlimmes passieren wird?
Manche andere Eltern sind permanent gestresst. Sie sagen stets: „Nicht jetzt, ich hab jetzt keine Zeit für dich!“
Wieder andere Eltern beschimpfen ihre Kinder vielleicht und sagen Sätze wie: „Wie kann man nur so dumm sein?“ oder: „Wenn es dich nicht gäbe, wäre mein Leben schöner“.
Wieder andere Eltern schlagen ihre Kinder …
Bedenke aber: Eltern schaden ihrem Kind im Normalfall nicht absichtlich. Die meisten Eltern lieben ihre Kinder, auch wenn es manchmal nicht so wirkt.
Manche Eltern sind überfordert, wenn ihr Kind frech wird. Sie schlagen ihre Kinder und bereuen es im Nachhinein. Sie entschuldigen sind oft, trotzdem „passiert“ es ihnen wieder.
Manche Eltern sind depressiv, manche trinken zu viel,  mache haben Stress in der Arbeit und lassen ihre Wut an den Kindern aus …
Es gibt natürlich keine Entschuldigung wenn Eltern ihre Kinder quälen – aber als Autor*in solltest du dich immer fragen: Wieso tut jemand etwas?
Natürlich gibt es auch Eltern, die (fast) perfekt sind. (Ganz perfekt gibt es nicht. Alle Eltern nerven irgendwann. Und auch das kann in einer Geschichte ganz schön lustig werden! )

Wenn deine Figur keine Eltern hat, solltest du wissen, warum. Harry Potters Eltern sind gestorben – und trotzdem erfahren wir im Lauf der sieben Bände ziemlich viel über sie. In einigen Geschichten erfahren wir z.B. von Waisenkindern, die von ihren Müttern weggegeben wurden. Manchmal erfahren wir auch, wieso sie in einem Heim gelandet sind.

Und natürlich gibt es auch Stiefeltern oder Adoptiveltern oder andere Verwandte, bei denen Kinder aufwachsen können (manche wachen z.B. bei einer Tante auf oder bei den Großeltern.)
Auch Geschwister sind wichtig – alle Familienmitglieder, die in einem Haushalt zusammenleben (oder zusammengelebt haben) prägen eine Figur.

Für den Fall, dass deine Figur erwachsen ist: Stell dir dieselben Fragen. Als Autor*in solltest du wissen, wie deine Figur aufgewachsen ist, ob sie als Kind beliebt war, viele Freund*innen hatte, wie die Eltern / Erziehungsberechtigten waren.
Und natürlich gibt es auch Mitstudierende oder Arbeitskolleg*innen, die mobben.


Überlege: Wer ist / war die wichtigste Person für deine Figur?

Auch das solltest du unbedingt wissen. Fast alle von uns haben oder hatten eine ältere Person in ihrem Umfeld, die uns besonders fördert oder uns besonders in dem bestärkt, was wir tun. Oder die uns ein besonders Vorbild ist.
Nimm Harry Potter. Was wäre aus ihm ohne Dumbledore geworden?
(Überhaupt finde ich, dass Rowling in ihren Harry Potter-Büchern wirklich tolle Figuren erfunden hat – und ich wette, dass sich die Autorin selbst über jede Nebenfiguren sehr viel Gedanken gemacht hat.)

Und dann gibt es natürlich den besten Freund oder die beste Freundin …

Mein Tipp: 

Ich selbst lege für jede meiner Figuren ein eigenes Blatt an. Und dann schreibe ich alles auf, was mir zu den Figuren einfällt.
Auf manchen Blättern steht nur sehr wenig (von manchen weiß ich zu Beginn nicht mal den Namen) – zu anderen Figuren fällt mir sofort sehr viel ein.

Wenn du einmal damit begonnen hast, dir Gedanken über das soziale Umfeld und die Vergangenheit einer Figur zu machen, wird dir ganz automatisch immer mehr einfallen. Aber stress dich nicht. Die besten Ideen oft dann, wenn man nicht vor dem Papier sitzt – sei es im Bus, bei einem Gespräch mit einer Freundin … oder auch mitten in der Nacht.